Problematik der Erschwerung des Marktzugangs durch Erhebung anderer Gebühren als der Handelsmarge

Die sogenannte „Erhebung eines Listungsgelds für die Aufnahme in das Sortiment“ wurde in Art. 15 Abs. 1 Nr. 4 des polnischen Gesetzes über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (einheitlicher Text, Dz. U. 2003, Nr. 153, Pos. 1503) – im Folgenden „UZNK“ genannt – geregelt. Die vorgenannte Vorschrift ist seit dem Moment ihres Inkrafttretens am 10. November 2002 zum Gegenstand einer Debatte in der Rechtsprechung und Literatur geworden.

Art. 15 Abs. 1 Nr.  4 UZNK regelt, dass die Erschwerung des Marktzugangs für andere Unternehmer, insbesondere durch Erhebung anderer Kosten als der Handelsmarge für die Annahme der Waren zum Verkauf, eine unlautere Wettbewerbshandlung darstellt. Das Tatbestandsmerkmal der „Erschwerung des Marktzugangs“ ruft besondere Auslegungszweifel hervor. Die Regelung bestimmt nicht eindeutig, ob der Umstand, dass der Marktzugang durch die Erhebung anderer Kosten erschwert wurde, bewiesen werden muss oder vermutet werden kann. Diesbezüglich werden widersprüchliche Ansichten durch den Verfassungsgerichtshof und das Oberste Gericht vertreten.

Der Verfassungsgerichtshof wies bei seinem Urteil vom 16. Oktober 2015 (Az. SK 20/12) über die Verfassungskonformität des Art. 15 Abs. 1 Nr. 4 UZNK darauf hin, dass die von einigen ordentlichen Gerichten vertretene Auffassung, dass die erwähnte Vorschrift einen Grund für die Annahme einer Vermutung der Erschwerung des Marktzugangs beinhalte und die Beweislast auf die andere Partei übertrage, unbegründet sei. Der Gerichtshof unterstrich in diesem Kontext, dass „die Vermutungsgrundlage im polnischem Recht ausdrücklich in der Vermutungsnorm reingeschrieben werden müsse, wobei die angefochtene Vorschrift keine sprachliche Basis innehabe, um die Erschwerung des Marktzugangs oder das Vorliegen einer unlauteren Wettbewerbshandlung zu vermuten.“

Das Oberste Gericht vertritt in seinem Urteil vom 16. Januar 2015 (Az. III CSK 244/14) und folgend in seinem Urteil vom 14. Oktober 2016 (Az. I CSK 651/15) eine andere Meinung. Nach der Auffassung des Obersten Gerichts habe der Gesetzgeber selbst entschieden, dass die Erhebung anderer Kosten als der Handelsmarge eine unlautere Wettbewerbshandlung sei, die in der Erschwerung des Marktzugangs bestehe. Dementsprechend brauche der Umstand, ob der Marktzugang in gegebener Situation tatsachlich erschwert worden sei, nicht bewiesen werden.

Die ordentlichen Gerichte legen die maßgebliche Vorschrift übereinstimmend mit den Entscheidungen des Obersten Gerichts aus. Das Appellationsgericht in Warschau entwickelte unter Bezugnahme auf die vorstehend dargestellten Abweichungen in der Rechtsprechung  in seinem Urteil vom 13. Januar 2017 (Az. I ACa 2088/15) eine Zwischenlösung dergestalt, dass die Erschwerung des Marktzugangs auf Grund einer tatsachlichen Vermutung, d.h. unter Einsatz des Art. 231 § 1 der Zivilprozessordnung, feststehe.

Die Auslegung des Art. 15 Abs. 1 Nr. 4 UZNK nach der vom Obersten Gericht vertretenen Ansicht trägt zur Verbesserung der Effektivität der analysierten Regelung bei, die den Schutz der Lieferanten im Verhältnis zu Großhändlern zum Ziel hat. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, ob eine derartige Auslegung nicht zu weitgehend in die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit eingreift.

Die vorstehend beschriebene Problematik hat wegen der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung unlauterer Ausnutzung vertraglicher Vorteile im Handel mit Agrar- und Lebensmittelprodukten nicht an ihrer Aktualität verloren. Das neue Gesetz schließt den lauterkeitsrechtlichen Schutz nicht aus (vgl. Art. 4 des neuen Gesetzes).