Werberecht in Deutschland: wann besteht ein Unterlassungsanspruch gegen die Zusendung einer Werbe-E-Mail?

Im Urteil vom 10.11.2022 hat das Amtsgericht Neumarkt über die Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen zur Zulässigkeit der Zusendung von Werbe-E-Mails entschieden. Das Unternehmen hatte eine Werbe-E-Mail mit dem Betreff „Wie war ihr Erlebnis“ an die Privat-E-Mail-Adresse des Klägers gesendet, der zuvor einen Gutschein für Floating erworben und eingelöst hatte. Der Kläger behauptete, er habe keine Werbeeinwilligung erteilt. Der Beklagte argumentierte dagegen, dass der Hinweis zur Verwendung der E-Mail-Adresse und zur Widerspruchsmöglichkeit bei Einlösung eines Gutscheins ausreichend sei. Die Frage, wer in diesem Fall recht hatte, wurde durch das AG Neumarkt unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation sowie der Vorschriften über den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geklärt.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers eine unzumutbare Belästigung dar, es sei denn, dass folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
  • der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
  • der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
  • der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

Des Weiteren kann die europäische Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation hinzugezogen werden, insbesondere Art. 13 Abs. 1. Diese legt ebenfalls fest, dass Kunden die Möglichkeit haben müssen, die Nutzung ihrer Kontaktinformationen bei Erhebung sowie Verwendung gebührenfrei abzulehnen, sollte die Ablehnung nicht bereits im Vorfeld stattgefunden haben.

Vorliegend erfüllte die Werbung die Voraussetzung der unzumutbaren Belästigung im Sinne des § 7 UGW.

Allerdings musste das AG Neumarkt feststellen, dass dem Verbraucher kein Unterlassungsanspruch nach den UWG-Vorschriften zusteht und zwar wegen des Wortlauts des Art. 8 Abs. 3 UWG, der die zur Geltendmachung des Ansprüche berechtigten Personen abschließend regelt.

Dem Verbraucher steht dagegen ein Unterlassungsanspruch gegen das Unternehmen aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutigen Willen des Klägers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.

Die Rechtsprechung betont dabei die Wichtigkeit der Abgabe einer ausdrücklichen Willenserklärung. Daher kann die bloße Tatsache eines Hinweises seitens des Unternehmers nicht als konkludente Zustimmung des Verbrauchers zur Verwendung der E-Mail-Adresse für Werbezwecke angesehen werden.

Als strittiger Punkt im erwähnten Urteil des Amtsgerichts wurde zudem das Verständnis des Begriffs der Werbung angesehen. Der Beklagte behauptete, dass seine E-Mail gar nicht als Werbung bezeichnet werden könnte.

Der BGH versteht unter diesem Begriff alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Diese Definition steht in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. A der RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und Europäischen Rates. Im weiten Sinne wird als Werbung jede Äußerung verstanden, die im Rahmen der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs stattfindet, mit dem Ziel den Absatz von Waren oder Dienstleistungen zu fördern.

Konkludierend stellte das AG Neumarkt fest, dass es sich bei der E-Mail des Beklagten in Form einer Kundenzufriedenheitsbefragung , um Werbung handelte, da im weiten Sinne durch die Resonanz des Verbrauchers Kundenbindung geschafft und somit der Absatz gefördert werden soll.

Steht die E-Mail mit einem vorhergehenden Gutscheinkauf in Verbindung, wird bei fehlendem klaren und deutlichen Hinweis, dass der Verbraucher der Verwendung seiner E-Mail-Adresse jederzeit widersprechen kann, das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.

Das Amtsgericht betonte zudem folgende Aspekte: unerwünschte Werbung belästigt den Nutzer, beeinträchtigt seine Privatsphäre und erfordert Zeit zum Aussortieren. Zudem verbraucht sie Speicherplatz und stört den Empfang weiterer E-Mails.

Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig Einhaltung rechtlicher Bestimmungen im Bereich der Werbung für Unternehmen ist und dass selbst eine Zufriedenheitsbefragung rechtswidrig sein kann, wenn sie ohne Einwilligung des Empfängers erfolgt.

  • Urteil des Amtsgerichts Neumarkt vom 10. November 2022, Az. 3 C 270/22