„Lockvogelangebote“ in der deutschen und polnischen Rechtsprechung

 

Sowohl in der polnischen als auch in der deutschen Rechtsprechung kommt die Frage der Verwendung von so genannter „Lockvogelwerbung“ durch Unternehmer regelmäßig auf. Beide Rechtssysteme sehen detaillierte Regelungen für die verantwortliche und rechtmäßige Gestaltung von Werbung vor, insbesondere wenn sie an Verbraucher gerichtet wird.

Unter „Lockvogelangebot“ versteht man eine Werbung, bei der der Unternehmer dem Verbraucher vorschlägt, ein Produkt zu einem bestimmten Preis zu kaufen, und dabei verschweigt, dass die Bestellung letztlich nicht zu den angebotenen Bedingungen erfüllt werden kann. Ein lockendes Angebot soll die Aufmerksamkeit des Empfängers wecken, der, durch einen niedrigen Preis oder andere günstige Bedingungen verlockt, letztendlich entscheidet, einen Vertrag abzuschließen, den er normalerweise nicht annehmen würde.  Ein solches Verhalten gilt als rechtswidrig und kann als unlautere Wettbewerbshandlung bzw. als unlautere Geschäftspraxis betrachtet werden.

Jetzt wollen wir die Positionen der polnischen und deutschen Rechtsprechung in dieser Angelegenheit betrachten.

Lockvogelwerbung als unlautere Geschäftspraktik – ein Beispiel aus der polnischen Rechtsprechung

In der Streitigkeit, die Gegenstand des Urteils des Berufungsgerichts in Warschau vom 27. September 2013, Aktenzeichen VI ACa 279/13, war, warf der Kläger der Beklagten – einem Immobilienverkäufer – vor, er habe gegen seine Informationspflichten gegenüber Kunden verstoßen.

Das Unternehmen, das sich auf den Verkauf von Wohnimmobilien konzentrierte, bewarb ausschließlich mit Netto-Preisen, ohne die Mehrwertsteuer zu berücksichtigen. Die Anzeigen wurden in der Presse veröffentlicht und führten die Verbraucher über die tatsächlichen Kosten in die Irre.

Das Berufungsgericht in Warschau stellte fest, dass das Verhalten des Beklagten gegen verschiedene Gesetze verstieß, darunter gegen das Gesetz über Preise, das Gesetz über den Wettbewerbs- und Verbraucherschutz sowie das Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Das Gericht wies auf die Perspektive des durchschnittlichen Verbrauchers und die Bedeutung transparenter Kommunikation in Marketingmaterialien hin, insbesondere bei teuren Waren wie Immobilien.  Es wurde auch berücksichtigt, wie wichtig und schwierig die Entscheidung zum Kauf einer Wohnung ist. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass Verbraucher bei einem Besuch im Verkaufsbüro unter dem Einfluss attraktiver Werbung zum Kauf einer anderen, teureren Wohnung verleitet werden, für die sie sich sonst nicht interessiert hätten, wenn das Unternehmen nicht unlautere Praktiken angewendet hätte.

Lockvogelangebot als einen Akt unlauteren Wettbewerbs – ein Beispiel aus der deutschen Rechtsprechung

Als Beispiel aus der deutschen Rechtsprechung kommt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011, Aktenzeichen I ZR 183/09 in Betracht. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen stellte die Praktiken eines großen Handelskonzerns in Frage, indem sie ihm die Verwendung irreführender Marketingtaktiken vorwarf.

Die Werbung bewarb Produkte mit reduzierten Preisen wie Butter und LCD-Monitore, ohne die begrenzte Verfügbarkeit der Waren angemessen offenzulegen. In beiden Fällen meldeten Verbraucher fast sofort nach Einführung der Produkte in die Geschäfte, dass die Produkte aufgrund ihrer Nichtverfügbarkeit nicht erworben werden konnten.

Trotz Klauseln, die auf mögliche Warenknappheit hinwiesen, befand das Gericht, dass solche Erklärungen nicht ausreichten, um den Verbraucher vor irreführender Wahrnehmung zu schützen. Da die beanstandeten Anzeigen keine ausreichenden Informationen über die Nichtverfügbarkeit der beworbenen Waren enthielten, ist ohne weitere Überlegungen anzunehmen, dass sie einen wettbewerbswidrigen Charakter haben. Dieses Handeln wurde als Beispiel für eine typische “ Lockvogelwerbung “ angesehen, um Kunden in das Geschäft zu ziehen. Der BGH unterstrich, dass der Unternehmer verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die beworbenen Produkte während eines angemessenen Zeitraums zu Aktionspreisen erhältlich sind.

Zusammenfassung

In den beiden oben genannten Urteilen haben die Gerichte die Werbung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers eingehend analysiert und die Bedeutung transparenter und genauer Informationen in der kommerziellen Kommunikation hervorgehoben. Sowohl die polnischen als auch die deutschen Gerichte haben sich kritisch zu Praktiken geäußert, die den Verbraucher in die Irre führen können. Dies gilt nicht nur für lebenswichtige Käufe wie Immobilien (im polnischen Fall), sondern auch für den Kauf typischer Konsumgüter (im deutschen Fall).

Beispiele aus der Rechtsprechung verdeutlichen die Verpflichtung der Unternehmer, zu gewährleisten, dass ihre Werbebotschaften an die Verbraucher sachlich richtig und nicht irreführend sind, und gleichzeitig die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs auf dem Markt zu berücksichtigen.

  • Urteil des Berufungsgerichts in Warschau vom 27. September 2013, Aktenzeichen VI Aca 279/13
  • Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Februar 2011, Aktenzeichen I ZR 183/09