Unrealistische Garantieversprechen als Verhinderung des Marktzugangs
Als unlautere Handlung kann die Abgabe eines unrealistischen, für den Unternehmer unausführbaren oder marktunüblichen Versprechens in Bezug auf die Garantiefrist, das Haltbarkeitsdatum oder die Zugänglichkeit von Ersatzteilen erachtet werden.
Die durch die Bietenden erteilte Garantie soll immer die tatsächliche Nutzungszeit des Auftragsgegenstandes widerspiegeln und den realen Möglichkeiten der Ausführung der Wartungspflichten während der Garantiefrist entsprechen.
Beispielsweise wurde als eine unerlaubte Handlung das Anbieten der hundertjährigen Garantiefrist angesehen. Die Landeswiderspruchskammer war der Ansicht, dass
ein solches Verhalten des Unternehmers nur damit logisch erklärt werden kann, dass der Unternehmer dadurch künstlich eine höhere Punktzahl in der Kategorie „Garantiefrist“ erlangen will. Dies macht es für andere Unternehmer, welche die realistischen und nach dem Auftragsgegenstand angemessenen Garantiefristen angeboten haben, unmöglich oder erschwert, die Ausschreibung zu gewinnen (vgl. Urteil der Landeswiderspruchskammer vom 21. April 2015, Az. KIO 692/15).
Mit einem ähnlichen Fall hatte man auch in einer anderen durch die Landeswiderspruchskammer entschiedenen Sache zu tun. Dort erteilte der Unternehmer eine 99-jährige Garantiefrist für die angebotenen Regale. Wesentlich ist, dass bei der Beurteilung der Angebote der Auftraggeber zwei Kriterien berücksichtigte: Preis – 60% und Garantie/Gewährleistung – 40%. Die minimale im Lastenheft bestimmte Garantiefrist betrug 24 Monaten. Die maximale Frist wurde nicht bestimmt. Die Angabe der 99-jährigen Garantiefrist hatte zur Folge, dass der Unternehmer die Ausschreibung gewinnen konnte, obwohl der von ihm angebotene Preis über das 3,5-fache höher war als der niedrigste Preis der Konkurrenz. Nach der Auswahl des Angebots mit der 99-jährigen Garantiefrist hat ein anderer Teilnehmer des Vergabeverfahrens den Widerspruch eingelegt.
Der Unternehmer, indem er die 99-jährige Garantiefrist für die gelieferten Waren anbot, erschwerte den anderen Unternehmern einen freien und ungehinderten Wettbewerb um die Erteilung des öffentlichen Auftrags. Unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung und des Sinns und Zwecks der Institution der Garantie läge der Angabe der so langen Garantiefrist nur die Absicht zugrunde, die maximale Punktzahl für die Garantiedauer zu erhalten und nicht die tatsächliche Möglichkeit der Instandhaltung der elektronisch gesteuerten Regale innerhalb der Garantiefrist.
Nach Auffassung der Landeswiderspruchskammer
ist eine künstliche Verlängerung der „Garantiefrist“ als Verhinderung oder Erschwerung der Erlangung eines öffentlichen Auftrags durch andere Unternehmen, die sich entschieden haben, Garantie für ausführbare und dem Auftragsgegenstand entsprechende Frist zu erteilen, zu betrachten (vgl. Urteil der Landeswiderspruchskammer vom 23. März 2016, Az. KIO 369/16).
Eine solche Handlung kann die Tatbestandsmerkmale der unlauteren Handlung gem. Art. 15 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erfüllen, weil sie darauf abzielt, Kunden zur Wahl eines bestimmten Unternehmers als Geschäftspartner zu zwingen oder Dritten Bedingungen zu verschaffen, den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen bei einem bestimmten Unternehmer zu erzwingen. Im Lichte der Generalklausel aus dem Art. 3 des Gesetzes über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs kann sie auch als gegen die guten Sitten verstoßende und das Interesse eines anderen Unternehmers oder eines Kunden verletzende Handlung eingestuft werden.
Die Feststellung, dass es zur Begehung einer unlauteren Handlung bei der Abgabe eines Angebots im Vergabeverfahren gekommen ist, führt zur Ablehnung des Angebots durch den Auftraggeber.