Änderungen im polnischen Urheberrecht – Juli 2015
Letztens wurde in Polen intensiv an der Novellierung des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Rechte vom 4. Februar 1994 gearbeitet. Einige Änderungen sind bereits in Kraft getreten. Andere befinden sich in der fortgeschrittenen Phase des Gesetzgebungsprozesses.
KLEINE NOVELLE DES URHEBERRECHTS
Am 14. Juli 2015 ist die sog. kleine Novelle des Urheberrechts, welche die Schutzdauer für künstlerische Darbietungen ändert, in Kraft getreten. Sie implementiert die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 2011/77/EU vom 27. September 2011 zur Änderung der Richtlinie über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte.
Zu den wichtigsten, aufgrund der kleinen Novelle eingeführten Änderungen gehört die Verlängerung der Schutzdauer für künstlerische Darbietungen, die auf den Tonträgern festgelegt wurden, von 50 auf 70 Jahre. Die Schutzdauer erlischt nach dem Ablauf von 70 Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Tonträger veröffentlicht wurde. Im Falle der nichtveröffentlichten Tonträger – ab dem Tag ihrer Verbreitung.
Diese Gesetzesänderung führt zusätzliche Garantien für ausübende Künstler und deren Erben nach dem Ablauf von 50-jährigen Schutzfrist ein.
Sie sieht die Auszahlung zusätzlicher Vergütung für ausübende Künstler nach dem Ablauf des 50. Schutzjahres vor. Die Vergütung soll 20% der Einkünfte betragen, die von dem Tonträgerhersteller im vorherigen Jahr für die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung des Tonträgers erzielt wurden.
GROßE NOVELLE DES URHEBERRECHTS
Die sog. große Novelle des Urheberrechts wurde am 10. Juli 2015 durch Sejm verabschiedet und jetzt wartet sie auf die Akzeptanz des Senats.
Der von der für die Kultur- und Medien zuständigen Kommission vorgelegte Entwurf passt die Vorschriften des polnischen Urheberrechts an die EU-Richtlinien an und regelt solche Fragen wie u.a. „Umfang der erlaubten Nutzung“, „verwaiste Werke“ oder „vergriffene Werke“.
Zitierungsrecht
Festgesetzt wurden die Grenzen des Zitierungsrechts. Der neue Art. 29 UrhG wird wie folgt lauten: „Es ist zulässig, in den selbständigen Werken Abschnitte aus den veröffentlichten Werken sowie bereits verbreitete plastische, fotografische und sonstige kleine Werke im Ganzen zu zitieren, soweit das durch begründete Ziele des Zitats wie Erklärung, Polemik, kritische und wissenschaftliche Analyse, Bildung oder durch die Regeln des jeweiligen Kunstbereichs gerechtfertigt ist.“
Zugefügt wurden neue Vorschriften, die erlauben, Werke für die Zwecke von Parodie, Pasticcio oder Karikatur und im Umfang, der durch die Regeln dieser Kunstgattungen begründet ist, zu nutzen. Man darf auch die Werke nutzen, die unbeabsichtigt in das andere Material eingebettet wurde, wenn er keine erhebliche Bedeutung für dieses Material hat.
Das Zitierungsrecht wurde im Vergleich zu der bisher geltenden Rechtslage erweitert. In der Zukunft soll bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Werknutzung das Ziel der Zitierung entscheidende Rolle spielen.
Erlaubte Nutzung
Die Novelle führt neue Formen der erlaubten Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ein, d.h.
– Nutzung für Informationszwecke im Rahmen der politischen Ansprachen oder der in der öffentlichen Verhandlungen gehaltenen Reden, sowie Nutzung von Teilen der öffentlichen Reden, Vorlesungen, Predigten, jedoch ohne Recht zur Veröffentlichung der Sammlungen derartiger Werke,
– Nutzung von Werken während religiöser Feiern oder amtlicher, durch die öffentliche Gewalt organisierter Veranstaltungen, ,
– öffentliche Darbietung oder Wiedergabe mithilfe von Geräten oder Trägern, die sich am gleichen Ort wie Publikum befindet, während Schul- oder Hochschulfeiern.
Erneut wurde auch der Umfang der erlaubten Nutzung für Bildungszwecke definiert:
Wissenschaftliche Institutionen, Hochschulen und Forschungsinstitute sollen zur Nutzung der veröffentlichten Werken zum Zwecke der Veranschaulichung der didaktischen Inhalte oder der Forschungsführung, sowie zur Vervielfältigung kleiner veröffentlichen Werke oder Teile größerer Werke zu diesen Zwecken berechtigt sein. Die öffentliche Zugänglichmachung solcher Werke, z.B. auf den E-Learning Plattformen, darf ausschließlich an den beschränkten Kreis der von dem Nutzer zu identifizierenden Personen erfolgen.
Es wurde auch eine Vorschrift eingeführt, die erlaubt, kleinere Werke oder Teile größerenrWerke in Lehrbücher, Auszügen und Anthologien für die didaktischen und wissenschaftliche Zwecke zu veröffentlichten Dies ist jedoch gegen die Zahlung einer entsprechenden Vergütung für Urheber zulässig.
Caching
In der neuen Fassung des Gesetzes findet man auch die Regelung betreffend die sog. Caching, d.h. vorübergehende Speicherung von Kopien der im Internet abgerufenen Inhalte im Hintergrundspeicher des Computers.
Gem. Art. 271 in neuer Fassung bedarf keiner Genehmigung des Urhebers eine vorübergehende, flüchtige oder beiläufige Vervielfältigung eines Werkse, die keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung hat und nur einen integralen und unvermeidlichen Teil des technologischen Prozess darstellt. Dieser Prozess darf nur auf die Ermöglichung der Übertragung des Werks in dem Teleinformationssystem zwischen Dritten mithilfe eines Vermittlers oder auf die rechtsmäßige Nutzung des Werks gerichtet sein.
Verwaiste Werke
Der Gesetzesentwurf enthält detaillierte Regelung betreffend sog. verwaiste Werke, d.h. solche Werke, deren Urheber bzw. Inhaber von Vermögensrechten nicht festgelegt oder gefunden wurden. Laut Gesetzesentwurf können die verwaisten Werke durch die Reihe von Institutionen vervielfältigt und veröffentlicht werden. Die Nutzung von verwaisten Werken ist zur Realisierung der satzungsgemäßen und öffentlichem Interesse dienenden Zwecke jeweiliger Institution zulässig. Die Institutionen dürfen daraus auch Einkommen erzielen, die allerdings auf die Digitalisierung und Veröffentlichung von Werken bestimmt sein müssen.
Das alles erfolgt unter Bedingung, dass die frühere Forschungen nach den zu einem Werk berechtigten Personen erfolglos geblieben sind.
Vergriffene Werke
Die Novellierung des Urheberrechts umfasst auch vergriffene Werke (out of commerce works). Vergriffene Werke sind die in Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Schriften veröffentlichten Werke, die noch urheberrechtlich geschützt, aber nicht mehr in den üblichen Vertriebswegen erhältlich sind. Vergriffen ist das Werk, wenn a) die im Handelsverkehr angebotene Exemplare die rationale Bedürfnisse des Publikums nicht decken, b) das Werk nicht so öffentlich zugänglich gemacht ist, damit jedermann an sie Zugriff vom ausgewählten Ort und in ausgewählter Zeit hätte.
Aufgrund der neuen Vorschriften dürfen Archiva, Bildungsinstitutionen, Hochschulen und Forschungsinstitute – nach der Erteilung der Einwilligung durch die zuständige Verwertungsgesellschaft, die zur Verwertung des im Verzeichnis der vergriffenen Werke enthaltenen Werks berechtigt ist – die Werke zu vervielfältigen, die sich in ihrer Sammlungen befinden und sie in solche Weise öffentlich zugänglich zu machen, dass jeder an dem beliebigen Ort und in beliebiger Zeit den Zugriff an sie hat.