Der EuGH erklärt das polnische Zahlungsbefehlsverfahren gegen Verbraucher als richtlinienwidrig

Der Gerichtshof der EU erlässt eine für polnische Verbraucher wesentliche Entscheidung, in der er die polnischen Vorschriften betreffend das Verfahren zum Erlass eines Zahlungsbefehls unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie Nr. 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen beurteilt hat.

Das Urteil vom 13. September 2018 in der Sache C-176/17 (Profi Credit Polska SA gegen Mariusz Wawrzosek) erging infolge der Vorabentscheidungsersuchens des Amtsgerichts in Siemianowice Slaskie.

Warum ist das Urtel des EuGH so wichtig?

Der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass die polnischen Vorschriften, die es erlauben, auf der Grundlage eines gültigen Eigenwechsels, der eine Forderung aus einem Verbraucherkreditvertrag besichert, einen Zahlungsbefehl zu erlassen, den Richtlinienvorschriften entgegenstehen.

Zum ersten darf in mit einem Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls befasste Gericht nicht die mögliche Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags prüfen.

Zum zweiten können die Modalitäten für die Ausübung des Rechts, Widerspruch gegen einen solchen Zahlungsbefehl einzulegen, die Einhaltung der dem Verbraucher nach der Richtlinie zustehenden Rechte nicht gewährleisten.

Wie wird ein Zahlungsbefehls wegen eines Wechsels erlassen?

Gem. Art 485 § 2 poln. Zivilverfahrensgesetzbuchs erlässt das Gericht einen Zahlungsbefehl gegen den durch einen ordnungsgemäß ausgefüllten Wechsel Verpflichteten, wenn die Echtheit und der Inhalt des Wechsels keine Zweifel wecken. Die Sache wird ohne mündliche Verhandlung behandelt.  Der Zahlungsbefehl gilt mit dem Erlass als Sicherungstitel, der ohne Erteilung einer Vollstreckungsklausel vollstreckbar ist. Nach Ablauf der Frist zur Befriedigung der Forderung ist der Zahlungsbefehl sofort vollstreckbar.

Sollte der Beklagte mit dem Zahlungsbefehl nicht einverstanden sein, kann er innerhalb von zwei Wochen einen Widerspruch erheben. Wichtig ist, dass der Kläger bei Erhebung der Klage nur 1/4 der Gerichtsgebühr entrichtet und 3/4 ist durch den Beklagten beim Erhebung des Widerspruchs zu zahlen.

Was in der polnischen Regelung stimmt mit dem Unionsrecht nicht überein?

Nach Ansicht des Gerichtshofs ist eine solche Lösung bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern nicht zulässig, weil siedie Interessen des Verbrauchers nicht richtig schützt und sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nicht gewährleistet.

Der EuGH hat auch wieder betont, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das nationale Gericht die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, von Amts wegen prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, was voraussetzt, dass es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Im Verfahren zum Erlass eines Zahlungsbefehls werden diese Grundlagen nicht geprüft, so dass der Verbaucher nicht den ausreichenden Schutz genießt.

Negativ wurde auch das Widerspruchsverfahren gegen einen Zahlungsbefehls beurteilt. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine nicht zu vernachlässigende Gefahr besteht, dass die betroffenen Verbraucher nicht den erforderlichen Widerspruch erheben, sei es wegen der besonders kurzen Frist, die hierfür vorgesehen ist, sei es, weil sie im Hinblick auf die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren im Vergleich zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, davon abgehalten werden könnten, sich zu verteidigen, sei es, weil sie den Umfang ihrer Rechte nicht kennen oder nicht richtig erfassen, oder auch wegen der knappen Angaben in dem von den Gewerbetreibenden eingereichten Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls und folglich der Unvollständigkeit der Informationen, über die sie verfügen.

Zusammenfassung

Infolge des Urteils des EuGH sollen in das polnische Zivilverfahrensgesetzbuch entsprechende Änderungen eingeführt werden. Bevor das passiert, ist zu erwarten, dass die Gerichte sich dem Erlass von Zahlungsbefehlen aufgrund der Wechsel enthalten werden, soweit auf der Beklagtenseite ein Verbraucher auftritt.

  • Urteil des EuGH vom 13. September 2018, C-176/17