Geschäftsgeheimnis nach der Noveliierung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs
Am 4. September 2018 trat die Novellierung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (poln. UWG) in Kraft. Das Gesetz dient der Umsetzung der unionsrechtlichen Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen in die polnische Rechtsordnung.
Im Folgenden werden die wichtigsten durch die Novellierung eingeführten Änderungen vorgestellt, insbesondere in Bezug auf die Umstrukturierung des Art. 11 UWG, der den unlauteren Handlungen im Zusammenhang mit der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses gewidmet ist.
Der neue Art. 11 UWG findet auf die Sachverhalte Anwendung, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgt sind.
Neue Definition des Geschäftsgeheimnisses
Die Änderungen betreffen unter anderem die Definition des Geschäftsgeheimnisses in Art. 11 Abs. 2 UWG. Diese Definition lautet jetzt wie folgt:
Unter dem Geschäftsgeheimnis sind technische, technologische oder organisatorische Informationen des Unternehmens wie auch andere Informationen zu verstehen, die von kommerzellen Wert sind, und die weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres für diese Personen zugänglich sind, sofern die Person, die zur Nutzung der Informationen oder zur Verfügung mit den Informationen berechtigt ist, unter Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt die Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat.
Bisher musste der Unternehmer „erforderliche Vorkehrungen” zum Zwecke der Geheimhaltung von Informationen treffen. Der neue Gesetzeswortlaut stellt auf den Begriff der „erforderlichen Sorgfalt” bei der Vornahme von Maßnahmen zur Geheimhaltung des Geschäftsgeheimnisses ab. Hier ist zu erwarten, dass gegenüber den Unternehmern der erhöhte Sorgfaltsmaßstab gem. Art. 355 Zivilgesetzbuchs anwendbar sein wird.
Der Gesetzgeber hat auf die Voraussetzung der Nichtbekanntgabe an die Öffentlichkeit verzichtet. Nach den neuen Grundsätzen darf das Geschäftsgeheimnis nicht den Personen bekannt oder leicht zugänglich sein, die sich üblicherweise mit dieser Art von Informationen befassen. Geändert wurde hiermit der Kreis der Personen, auf deren Kenntnisse es bei der Geheimhaltung von vertraulichen Informationen ankommt.
Unlautere Wettbewerbshandlungen
Anders werden nun auch die Handlungen beschrieben, die als unlautere Wettbewerbshandlungen gelten können. In der neuen Rechtslage gilt als unlauter die rechtswidrige Offenbarung, Nutzung oder der Erwerb von fremden Informationen, die das Geschäftsgeheimnis darstellen. Darüber hinaus regeln die neuen Vorschriften in viel detaillierterer Weise, worauf die konkreten Handlungen beruhen können.
Vorausgesetzt ist allerdings, das eine Handlung rechtswidrig ist. Eine unlautere Wettbewerbshandlung liegt jedenfalls erst dann vor, wenn się rechtswidrig ist oder gegen die guten Sitten verstößt und gleichzeitig das Interesse eines anderen Unternehmers oder eines Kunden gefährdet oder verletzt.
Erwerb eines fremden Geschäftsgeheimnisses
Der Erwerb von fremden Informationen, die ein Geschäftsheimnis enthalten, stellt nicht immer eine unlautere Wettbewerbshandlung dar. Entscheidend sind die Umstände sowie die Art und Weise des Erwerbs.
Kraft Gesetzes gilt der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses insbesondere dann als rechtwidrig, wenn dies ohne Zustimmung des Inhabers und durch unbefugten Zugang, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmäßigen Kontrolle durch den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, geschehen ist.
Reverse Engineering (Nachkonstruktion)
Der Erwerb fremder Geschäftsgeheimnisse gilt nicht als unlautere Handlung, wenn diese infolge selbständiger und unabhängiger Arbeit erlangt wurden.
Das Gesetz sieht vor, dass der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses als rechtmäßig gilt, wenn dies infolge der unabhängigen Entdeckung oder Schöpfung, Beobachtung, Untersuchung, Rückbau oder Testen eines Produkts oder Gegenstands, der öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmäßigen Besitz des Erwerbers der Information befindet, der keiner rechtsgültigen Pflicht zur Beschränkung des Erwerbs des Geschäftsgeheimnisses unterliegt, geschehen ist.
Auf diese Weise wurde die Frage des zulässigen Erwerbs von Geschäftsgeheimnissen infolge der sog. Reverse Engineering (Nachkonstruktion) geregelt. Unter diesem Begriff versteht man einen Vorgang, in dem das fertige Produkt untersucht wird, um seine Kontruktion und Funktionsweise zu ermitteln. Aufgrund der durchgeführten Untersuchung kann das Produkt eines anderen Unternehmens abgebildet werden und auf diese Weise die Informationen erlangt werden, die zwar als Geschäftsgeheimnisse gelten, aber nicht zur Begehung einer unlauteren Wettbewerbshandlung führen.
Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen
Die Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gilt als unlautere Wettbewerbshandlung insbesondere dann, wenn sie ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses erfolgt und gegen eine gesetzliche und/oder vertragliche Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt oder wenn się durch eine Person erfolgt, die das Geschäftsgeheimnis im Wege einer unlauteren Handlung erworben hat.
Wichtig ist, dass als rechtswidrig auch der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses gilt, wenn eine Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, der Nutzung oder der Offenlegung wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, die diese rechtswidrig genutzt oder offengelegt hat. Es ist also unzulässig, Informationen zu nutzen oder offenzulegen, wenn eine bestimmte Person zwar nicht an ihrem rechtswidrigen Erwerb teilgenommen hat, aber dieser bewusst sein musste, dass diejenige Person, von der się die Informationen erlangte, unlauter gehandelt hat.
Nutzung von Geschäftsgeheimnissen in Produktion und Handel
In besonderer Weise wird die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen zum Herstellen, Anbieten oder Inverkehrbringen von rechtsverletzenden Produkten oder zur Einfuhr, Ausfuhr oder Lagerung von rechtsverletzenden Produkten für diese Zwecke betrachtet.
Ob diese Handlungen als unlautere Handlungen zu qualifizieren sind, hängt von dem Kenntnisstand und Bewusstsein des Rechtsverletzers ab. Es wird beurteilt, ob diese Person wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass die Eigenschaften der Produkte, darunter die ästhetischen und funktionalen Eigenschaften, der Herstellungsprozess oder die Vermarktung im überwiegenden Maße dank der Verletzung des Gechäftsgeheimnisses und in unberechtigter Weise gestalten wurden.
Schutz für Whistleblower
Neu eingeführt wurde Art. 11 Abs. 8 UWG, der besagt, dass der Erwerb oder die Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen keine unlautere Wettbewerbshandlung darstellt, wenn dies zum Zwecke des Schutzes des rechtlich geschützen Interesses, insbesondere zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung oder zur Aufdeckung eines Fehlverhaltens, Verstoßes oder einer illegalen Tätigkeit erfolgt oder wenn die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse durch Arbeitnehmer gegenüber ihren Vertretern im Rahmen der rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben dieser Vertreter gemäß dem Recht erfolgt und die Offenlegung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich war.
Wie daraus hervorgeht, gibt es Situationen, in denen das Geschäftsgeheimnis den Weg für die überwiegenden Interessen frei machen muss. Die Personen, welche die illegalen Handlungen endteckt haben (sog. Whistleblowers) befürchten oft, dass ihnen der Vorwurf der rechtswidrigen Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses gemacht wird und deshalb zögern się mit der Enthüllung der Unrichtigkeiten. Dasselbe betrifft auch Journalisten, die bisher bei der Behandlung von businessbezogenen Themen mit Schwierigkeiten rechnen mussten.
Keine zeitliche Beschränkung der Haftung von ehemaligen Mitarbeitern
Es ist darauf hinzuweisen, dass anders als bisher die Haftung des ehemaligen Arbeitnehmers bzw. der Personen, welche die Arbeit aufgrund eines anderen Rechtsverhältnisses an den Unternehmern geleisten haben, für die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nicht mehr auf 3 Jahre ab der Beendigung dieses Verhältnisses beschränkt ist. Die ehemaligen Mitarbeiter müssen das Geschäftsgeheimnis nach solchen Regeln wie alle andere Personen beachten.