Verordnung Brüssel I- bis
Ab dem 10. Januar 2015 wird in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates (EU) vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, bezeichnet auch als Brüssel I-bis Verordnung, gelten, welche die bisher geltende Verordnung Nr. 44/2001 ersetzen wird.
Automatische Vollstreckbarkeit der Entscheidungen
Für die Praxis des internationalen Rechtsverkehrs kann die Aufhebung von der Prozedur der Vollstreckbarkeiterklärung (sog. exequatur) von größter Bedeutung sein. Bis heute war diese Prozedur notwendig, um die Entscheidungen oder öffentlichen Urkunden aus den anderen Mitgliedsstaaten vollstrecken zu können.
Dieses Verfahren bestand darin, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen und dort vollstreckbaren Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vollstreckt werden konnten, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind (vgl. Art. 38 Brüssel I-Verordnung).
Eine Partei, welche die Vollstreckbarkeitserklärung einer Entscheidung beantragt hat, musste außer einer Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, noch die unter Verwendung des Formblatts in Anhang V dieser Verordnung durch das zuständige Organ ausgestellte Bescheinigung vorlegen. Dasselbe galt auch für die Vollstreckbarkeitserklärung der öffentlichen Urkunden, die in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen sind.
Nach der neuen Regelung des Art. 39 der Brüssel I-bis Verordnung ist eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. In Bezug auf die öffentlichen Urkunden gilt auch, dass sie ohne Vollstreckbarerklärung bedarf vollstreckbar sind. Sie müssen nur Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich sind.
Auf diese Weise wird das Institut der automatischen Vollstreckbarkeit, das bisher für die Entscheidungen über unbestrittene Forderungen galt, die mit dem Europäischen Vollstreckungstitel versehen sind, auf alle Entscheidungsarten erstreckt. Diese Änderung wird eine schnellere und einfachere Vollstreckung in den grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten ermöglichen.
Rechtshängigkeit des Verfahrens
Bereits die Brüssel-I-Verordnung kannte die Regelung, dass bei Anhängigkeit der Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
Brüssel I-bis führt die zusätzliche Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und gibt dem angerufenen Gericht die Befugnis zu, von dem anderen angerufenen Gericht eine unverzügliche Mitteilung über das Datum der Anhängigkeit des Verfahrens zu verlangen.
Darüber hinaus enthält Art. 31 Abs. 2 der Verordnung eine Neuregelung. Wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats angerufen wird, das gemäß einer Vereinbarung ausschließlich zuständig ist, so setzt das Gericht des anderen Mitgliedstaats das Verfahren so lange aus, bis das auf der Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht erklärt hat, dass es gemäß der Vereinbarung nicht zuständig ist.
Die oben genannte Regelung wird sich bestimmt auf die Bedeutung der vertraglichen Gerichtsstandsklausel in den Verträgen zwischen den Parteien aus verschiedenen Ländern auswirken. Die Parteien werden sozusagen gezwungen, die Klagen vor dem vertraglich vereinbarten Gericht zu erheben, was das Phänomen der sog. fliegenden Gerichtsbarkeit („race to the courthouse“) einschränken wird.