Das neue Gesetz betreffend die vertragliche Überlegenheit auf dem Lebensmittelmarkt

Das missbräuchliche Ausnutzen der Verhandlungsmacht auf dem Lebensmittelmarkt durch die großen Handelsketten gehört zu Problemen, denen die Lieferanten seit mehreren Jahren gegenüberstehen müssen.  Für die Zwecke der Umsetzung der EU-Richtlinie Nr. 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette wurde in Polen das neue Gesetz vom 17. November 2021 über die Bekämpfung des missbräuchlichen Ausnutzens der Verhandlungsmacht im Handel mit Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen (bezeichnet auch als „Gesetz über die vertragliche Überlegenheit“) verabschiedet. Am 23. Dezember 2021 trat es an die Stelle des bisher geltenden Gesetzes von 2016.

Vertragliche Überlegenheit

Die Ungleichgewichte bei der Verhandlungsmacht lassen sich vor allem anhand der Unterschiede im Wirtschaftspotenzial der Käufer und Lieferanten ermitteln. Das neue Gesetz führt die Vermutung ein, dass das bedeutende Ungleichgewicht dann besteht, wenn die dort genannten Stufen der Jahresumsätze durch die Vertragspartner überschritten werden.

Schwarze und Graue Liste der Handelspraktiken

Die unlauteren Praktiken werden entweder auf die schwarze oder auf die graue Liste gesetzt. Während die ersten absolut verboten sind,  können die zweiten unten bestimmten Bedingungen angewandt werden.

Auf die schwarze Liste unter anderem folgende Praktiken gesetzt: Zahlungsverzüge seitens des Käufers, Stornierung von Bestellungen der verderblichen Erzeugnisse kürzer als 30 Tage vor der geplanten Lieferungsfrist, einseitige Änderung der Lieferbedingungen durch den Käufer, nicht begründete Minderung der Preise nach der Annahme der Waren (Verlangen von Preisnachlässen), Verlangen der Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Erzeugnissen des Lieferanten stehen, rechtswidriger Erwerb, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten der Androhung oder Ergreifung der Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art gegen den Lieferanten, der seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht.

Solche Praktiken wie z.B. das Rücksendung von nicht verkauften Erzeugnissen, ohne für dies zu bezahlen oder das Verlangen der zusätzlichen Zahlungen für die Werbung oder Vermarktung der Produkte des Lieferanten werden nicht als unlauter behandelt, sofern sie zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart worden sind (sog. „Graue Liste”). Dazu gehört auch die Situation, wenn  der Käufer vom Lieferanten verlangt, dass dieser die gesamten Kosten oder einen Teil davon für Preisnachlässe bei Produkten, die der Käufer im Rahmen einer Verkaufsaktion verkauft, trägt. Dies ist nur dann zulässig, wenn der Vertrag zwischen dem Lieferant und dem Käufer vor dem Beginn der Verkaufsaktion geschlossen worden sind und wenn er die Bestimmungen über das Anfangsdatum dieser Aktion, ihre Dauer sowie die Menge der mit dem Preisnachlass umfassten Erzeugnisse enthält.

Verderbliche Erzeugnisse

Eine Neuheit stellt auch die Definition von verderblichen Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse dar. Im Lichte des Gesetzes gehören dazu die Erzeugnisse, bei denen aufgrund ihrer Beschaffenheit oder auf ihrer Stufe der Verarbeitung davon auszugehen ist, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach der Ernte, der Erzeugung oder der Verarbeitung nicht mehr zum Verkauf geeignet sind.

Finanzielle Haftung

Wichtig ist, dass die Verantwortlichkeit für die unlauteren Handelspraktiken (einschließlich der von der Kartellbehörde aufzuerlegenden Geldstrafen) auch beim fahrlässigen Handeln droht.

Wie bisher kann auf den Käufer oder Erwerber im Wege des behördlichen Bescheids eine Geldstrafe bis zu 3% des im vorigen Jahr erzielten Jahresumsatzes auferlegt werden.

Anpassung der Liefervereinbarungen

Die Liefervereinbarungen, die vor dem 23. Dezember 2021 geschlossen wurden, müssen mit den neuen Regelungen bis zum 30. April 2022 in Einklang gebracht werden. Für die nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geschlossenen Verträge gelten die neuen Vorschriften.